Unterwegs auf dem Caminho Português – Der portugiesische Jakobsweg im November

Die gelbe Jakobsmuschel

Wie ich im November unter einem strahlend blauen Himmel 360km auf dem Caminho Português von Porto nach Santiago de Compostela – und anschließend weiter ans „Ende der Welt“ – pilgerte, einen Lebensabschnitt hinter mir ließ und wieder einmal die Bedächtigkeit und Schönheit des Wanderns für mich entdeckte.

Meine Erkenntnis: Jeder sollte einmal in seinem Leben einen Jakobsweg laufen – ganz egal aus welchen Gründen. Es tut der eigenen Seele nachhaltig gut!

Die Jakobswege

Verbringt man viel Zeit draußen in der Natur, so hat man sie sicherlich schon einmal erspäht. Manchmal erscheint sie als ein zusätzliches Zeichen an der Wegmarkierung eines lokalen Wanderweges, ein anderes Mal klebt sie gut sichtbar an einem Vorfahrtsschild innerhalb eines Dorfes: Die gelbe Muschel. Sie ist die offizielle Wegmarkierung der unzähligen Jakobswege, die sich wie ein gelbes Spinnennetz über den europäischen Kontinent erstrecken, um sich anschließend in der Stadt Santiago de Compostela in Nordspanien zu vereinen. Die Jakobsmuschel lädt schnell zum Träumen ein. Wie schaut der Weg nach Santiago de Compostela aus? Durch welche Landschaften führt er? Wem begegnet man während der Pilgerreise? Und welch‘ ein Gefühl muss es wohl sein, mit müden Füßen und wunderbaren Erlebnissen im Gepäck in Santiago de Compostela einzulaufen? Spätestens nachdem ich voller Begeisterung Hape Kerkerling’s Buch „Ich bin dann mal weg!“ gelesen hatte, stand für mich fest: Eines Tages werde auch ich der gelben Muschel auf einem Jakobsweg folgen.

Jedoch geht solch ein Entschluss oft erst einmal im Alltag unter. Gefühlt scheint irgendetwas dem Loswandern immer im Wege zu stehen. Mal ist es der Job, der es einem nicht erlaubt 3 bis 4 Wochen am Stück Urlaub zu nehmen. Ein anderes Mal ist es das Knie, das aufgrund sportlicher Überbelastung gerade jetzt ein wenig Schonung bräuchte.

Es braucht also oftmals einen triftigen Grund, um wirklich seinen Rucksack zu packen, Sneakers gegen Wanderschuhe zu tauschen und loszuwandern. Im Laufe der Reise erfährt man, dass auch die meisten anderen Pilger aus triftigen Gründen auf ihrem Jakobsweg unterwegs sind. Die Gründe mögen vielfältig sein, jedoch vereint viele Pilger der Wunsch durch die Wanderung auf dem Jakobsweg einen Lebensabschnitt hinter sich zu lassen und buchstäblich in einen neuen hineinzutreten.

Die Kündigung meines Jobs im Konsumgüter-Marketing war mein persönlicher Grund für diese Reise. Zu lange fühlte ich mich in der Branche schon fehl am Platz. Zu oft hatte ich versucht durch den Wechsel von Positionen, Unternehmen und Ländern Zufriedenheit im beruflichen Tun zu finden. Hinzu kam die Pandemie, viel Zeit im Home Office, durchkreuzte Pläne und eine stetige Grübelei. Es wurde Zeit, diesen Lebensabschnitt hinter mir zu lassen und etwas Neues zu beginnen. Der Jakobsweg könnte hierbei meinen Übergang in den neuen Lebensabschnitt darstellen. Allerdings hatte ich meine Job zu Ende Oktober gekündigt. Der Winter stand also fast vor der Tür. Hatte ich nicht immer gelesen, dass Pilger möglichst von Frühjahr bis Herbst auf ihren Wegen unterwegs sind? Kann man also im November noch auf Pilgerreise gehen?

Der portugiesische Jakobsweg

Die erfreuliche Antwort – man kann! Nach ein wenig Recherche stand fest, dass ich aufgrund der Jahreszeit den portugiesischen Jakobsweg wählen würde. Dieser beginnt im noch warmen Süden Europa’s und führt den Pilger von Lissabon, über Fatima und Porto immer weiter nach Norden bis ins nordspanische Santiago de Compostela. Da der Abschnitt zwischen Porto und Santiago de Compostela als der am besten gekennzeichnete und landschaftlich reizvollste gilt, starten viele Pilger ihren Weg in der portugiesischen Stadt am Douro. Mein Startpunkt stand also fest. Wie ich jedoch lernte, gibt es nicht die eine Art und Weise den Caminho Português zu laufen. Vielmehr kann man zwischen verschiedenen Routen wählen, die letztlich alle wieder in Spanien zusammen führen. Die traditionelle Route (Caminho Português Central) führt hierbei durch das hügelige Landesinnere, während diverse Routen an der Küste den Stränden folgen. Da ich Hügel und Berge liebe, stand schnell fest, dass ich hauptsächlich im Landesinneren wandern möchte. Allerdings wollte ich auch gerne einmal Sand unter den Zehenspitzen fühlen. Daher beschloss ich, die ersten beiden Etappen ab Porto an der Atlantikküste entlang zu wandern, um anschließend ins Landesinnere auf den Caminho Português Central abzubiegen.  

DER WEG DURCH PORTUGAL

Start an der Küste

Mit einem Direktflug erreicht man in knapp 2:30h Stunden von Frankfurt am Main aus Porto. Leider sind nachhaltige Verkehrsmittel (Fernbus, Bahn) bis dato rar gesät, unverhältnismäßig teuer sowie zeitaufwendig, sodass man nur hoffen kann, dass diese Optionen in naher Zukunft besser ausgebaut werden.

Nach einer 30-minütigen Metro-Fahrt ins Stadtzentrum und einem kurzen Fußweg kam ich am Startpunkt meines Jakobsweges an: Die Kathedrale von Porto, auch „Sé Catedral do Porto“ genannt, liegt auf einem Hügel der Altstadt, von dem man einen fantastischen Blick auf die berühmte eiserne Brücke „Ponte Dom Luis I“ sowie die Stadt Gaia jenseits des Flusses Douro hat. Ich blickte auf das Panorama, was sich zu allen Seiten hin erstreckte während die Aufregung wie kleine Seifenblasen in meinem Bauch empor blubberte. Jetzt geht es endlich los! Mein Jakobsweg beginnt. In der Kathedrale hätte man sich eigentlich den ersten Stempel für seinen Pilgerpass (auch „Credencial del Peregrino“ genannt) abholen können, was ich natürlich vor lauter aufgeregter Seifenblasen prompt vergaß (und am Ende meines Jakobsweges nachholte). So lief ich beschwingt den gelben Pfeilen folgend die Treppen vor der Kathedrale hinunter und immer dem Fluss Douro folgend der Atlantik-Küste entgegen. Ich ließ die schmalen bunten Häuser Porto’s hinter mir und erreichte am späten Nachmittag das Fischer-Städtchen Matosinhos. In der dortigen Touristeninformation erhielt ich dann, ein klein wenig stolz, meinen ersten Pilgerstempel in der Form einer Jakobsmuschel mit der Aufschrift „Matosinhos – World’s Best Fish“. Das konnte ja nur gut werden hier im schönen Portugal!  

Am kommenden Morgen machte ich mich auf den Weg zur Küstenstadt Vila do Conde. Auf diesem Streckenabschnitt führt der Jakobsweg teils auf schönen Holzbohlenstegen teils auf Uferpromenaden immer am Strand entlang. Unter einem strahlend blauen Himmel genoss ich den Ausblick auf die Wellen des Atlantiks. Zwischendurch erblickte man immer wieder kleine Buchten, die zum Verweilen und Füße kühlen einladen. Die Kleinstadt Vila do Conde markierte sowohl das Etappenziel als auch das Ende meiner zwei Wandertage auf der Küstenroute des Caminho Português. Ab morgen würde ich von hier aus ins Landesinnere abbiegen und anschließend dem Caminho Português Central folgen.  

Das Landesinnere

Von Vila do Conde aus erreichte ich über einen etwas weniger schönen – da an verkehrsreichen Straßen geführten – Verbindungsweg den Caminho Central in der Kleinstadt Rates. Hier stieß ich auch endlich auf die Kilometersteine des Jakobsweges, welche die noch zu laufende Strecke bis Santiago de Compostela ausweisen. Nach dem luftigen Urlaubsgefühl an der Atlantikküste schien das Pilgerleben nun also so richtig zu beginnen. Der Caminho Português Central ist übrigens sehr gut ausgeschildert. Ein gelber Pfeil oder Kilometerstein ragt hier immer am Rande des Blickfeldes hervor. Verlaufen kann man sich theoretisch nicht.

Sobald ich Rates verlassen hatte, wurde der Verkehr ruhiger und ich wanderte auf vielen kleinen Straßen aus Kopfsteinpflaster durch ländliche Gebiete. Dieses urige und leicht chaotische Kopfsteinpflaster wuchs mir im Verlauf der portugiesischen Wegstrecke noch richtig ans Herz. Hier und dort sah man nun Rastplätze mit Bänken sowie aufgetürmte Steinhäufchen neben den Weg-Symbolen. Nur die Pilger an sich machten sich im November noch ein wenig rar… Kurz vor der Stadt Barcelos ist ein Abstecher durch den Eukalyptuswald hoch zum Monte da Franqueira mit seiner weiten Aussicht auf das Umland sehr empfehlenswert. Das bekannte portugiesische Hahnen-Symbol geht übrigens auf eine Legende in der Kleinstadt Barcelos zurück.

Die folgende Etappe nach Ponte de Lima war mit über 30km ziemlich lang aber wunderschön, da man auf vielen teils engen Pfaden entlang kleiner Weinberge und Olivenhaine im Hinterland wanderte. Anscheinend wurden kurz vorher Oliven geerntet, denn überall schnitten Bauern die knochigen Bäume zurück und verbrannten die so gesammelten Äste. Dadurch schwebten viele kleine dunkle Rauchwolken über dem ansonsten tiefblauen portugiesischen Himmel. Wie der Name schon suggeriert, traf ich in Ponte de Lima – eines der ältesten Städtchen Portugals – auf eine schöne steinerne Rundbogenbrücke, an deren Ende auch die öffentliche Pilgerherberge liegt. Und hier sah ich nun endlich andere Pilger!

Hügeliges Portugal

Die nun folgende Etappe gilt als „Berg-Etappe“ des portugiesischen Jakobsweges, was jedoch beim geübten Wanderer sicherlich nur ein kleines Schmunzeln hervorrufen dürfte. Denn hierbei handelte es sich um die nur 405 m hoch gelegene Anhöhe namens „Portela Grande“, die es zu erklimmen gilt. Sollte man diese Etappe allerdings im Hochsommer bei entsprechend heißen Temperaturen laufen, würden sicherlich auch dem geübten Wanderer einige Schweißtropfen auf der Stirn stehen. Während ich im dichten Kieferwald die Anhöhe hinauf wanderte, erblickte ich immer wieder Bäume, deren Rinde zur Gewinnung von Naturharz aufgeritzt wurde. Ein eher unüblicher Anblick im Vergleich zu den heutigen deutschen Wäldern und so hatte ich fast ein wenig Mitleid beim Anblick der hier „blutenden“ portugiesischen Bäume. Die kleine Ortschaft Rubiães nördlich der Anhöhe empfängt den Pilger mit vielen urigen Steinhäusern, in denen man auch teils übernachten kann.

Die eiserne Brücke hinüber nach Spanien

Während sich der morgendliche dichte Nebel nur sehr langsam lichtete, führte mich der Weg von Rubiães immer weiter bergab zur portugiesisch-spanische Grenze am Fluss Mino. Diese teils mystische Stimmung wurde noch verstärkt durch knochige Bäume sowie verlassene Sessel am Wegesrand. War dies etwa eine Einladung zur Reflektion über den bisherigen Weg so kurz vor der Landesgrenze? Oder gar eine Reflektion über die letzten Monate und Jahre im eigenen Leben? Egal wie man es deuten wollte, die nebligen Wogen luden einen dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen.

Kurz vor der portugiesischen Grenzstadt Valença brach die Sonne schließlich durch die Nebelschicht hindurch, sodass ich meinen letzten portugiesischen Kaffee in der kleinen sonnendurchfluteten Altstadt genießen konnte. Danach hieß es „Adeus!“ schönes Portugal. In der Mitte der eisernen Grenzbrücke über den Rio Mino erwarteten mich tatsächlich zwei ausgebleichte Schuhabdrücke, die den Übergang des Pilgers von Portugal nach Spanien markieren sollten. An diesem Punkt lag mit der bereits gelaufenen Strecke von ca. 120km auch die Hälfte des portugiesischen Jakobsweges hinter mir. Es war ein unglaubliches Gefühl diese Strecke zu Fuß geschafft zu haben! Beschwingt wanderte ich hinüber nach Spanien in die Grenzstadt Tui.

Der Weg durch Spanien

Die Uhren ticken anders in Spanien

Beim Gang über die Brücke des Rio Mino wechselt man nicht nur das Land sondern auch die Zeitzone. Bei Ankunft in Spanien wird die Uhr um eine Stunde nach vorne gestellt, wodurch plötzlich die Abende früher in der Dunkelheit versanken. Zudem hatte ich durch den Länderwechsel mein geliebtes Kopfsteinpflaster größtenteils hinter mir gelassen. Der Jakobsweg von der spanischen Grenzstadt Tui bis nach Santiago de Compostela führt meinem Gefühl nach mehr auf geteerten Landstraßen. An diesem Tag beschloss ich spontan zwei Etappen aneinander zu reihen und bis nach Redondela zu wandern, eine Kleinstadt welche wieder an einer Meeresbucht liegt.

Erstes Wehwehchen und wunderschönes Pontevedra

Die Länge der gestrigen Etappe schien sich am Folgetag bemerkbar zu machen, da die Sehne meines rechten Fußes bei jedem Schritt leicht zu schmerzen begann. Sofort schossen mir bedrohliche Gedanken durch den Kopf: War es das? Muss ich aufgeben? Erreiche ich Santiago de Compostela noch? Das darf doch nicht wahr sein… Aber man wäre wohl kein richtiger Pilger, würde man nicht auch die Schattenseiten des Weges (bzw. des eigenen Körpers) kennen lernen. Nachdem ich also mit Hilfe einer dicken Schicht Voltaren die spanische Stadt Pontevedra erreicht hatte, gönnte ich mir erstmal einen mächtigen Schokoladen-Donut in einem Café. Schokolade soll ja bekanntlich in allen Lebenslagen helfen. Pontevedra ist übrigens eine wunderschöne Stadt, in der es zahlreiche Bauwerke zu bestaunen und Tapas zu probieren gibt. Insbesondere das Sanktuarium der Virxe Peregrina ist für Pilger interessant, da die Kirche im Grundriss einer Jakobsmuschel-Form errichtet wurde.

Ankunft in Santiago de Compostela

Je näher man Santiago de Compostela kam, desto mehr fieberte man auch auf dieses Ziel hin. Inzwischen war eine gewisse Routine in meinem Pilgeralltag eingekehrt. Jedes Teil hatte seinen Platz im Rucksack, ich traf immer wieder mein kleines Grüppchen an Pilger-Bekanntschaften, man wusste dass das Frühstück sehr süß und das vegetarische Abendessen sehr eingeschränkt ausfallen würde und auch meine Sehne hatte sich dank Voltaren wieder beruhigt. Die nächsten Etappen durch Caldas de Reis und Padrón waren geprägt von einem Mix aus kleinen Baumalleen, sanften Hügeln und alten Städtchen mit schönen Kirchen.

Dann war es endlich soweit! Der Tag, an dem ich Santiago de Compostela erreichen sollte, war endlich gekommen. Während ich meinem Ziel entgegen wanderte, erschienen immer zahlreichere graue Wolken am spanischen Himmel. Welch ein Timing nach so vielen Tagen Sonnenschein… Kurz vor der Altstadt Santiago’s verloren sich die gelben Pfeile und Kilometersteine. Es schien, als solle jeder Pilger die letzten Kilometer bis zur Kathedrale eigenständig finden. So schlängelte ich mich zusammen mit meinen Mitpilgern müde und gleichzeitig erwartungsfreudig durch das Gewirr an Menschen durch die Altstadt und stand plötzlich auf der Praza do Obradoiro vor der prachtvollen riesigen Kathedrale. Weitere Pilger hatten sich auf dem Platz versammelt, lagen sich in den Armen, ein breites Grinsen im Gesicht, die Hände zum Selfie gezückt. Da sich hier alle Jakobswege Europas vereinen, trifft man plötzlich auch auf Pilger, die an anderen Orten gestartet sind und teils bereits seit mehreren Monaten unterwegs sind. Für jede*n ist diese Ankunft in Santiago de Compostela etwas ganz Besonderes. Jede*r verbindet damit unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen.

So schön die Ankunft an der Kathedrale war, so schnell stand jedoch für mich persönlich fest, dass ich noch weiter wandern würde. Ich hatte das Gefühl, dass nach so viel Zeit in der Natur auch mein persönlicher Caminho an einem Punkt in der Natur enden sollte. Nach einem Pausentag in Santiago de Compostela würde es also weiter bis nach Finisterre – dem Ende der (westlichen) Welt – gehen!

Der Weg nach Finisterre und Muxia

Ich würde jedem, der noch Zeit und Kraft hat, empfehlen den Weg weiter nach Finisterre (+89km) und Muxia (+weitere 30km) zu wandern. Man trifft nicht nur nochmals auf den tosenden Atlantik, sondern lernte auch noch weitere Pilger kennen, die von ihren Erlebnissen auf den anderen Jakobswegen Europa’s berichten.

Auf dem Weg nach Finisterre durchwanderte ich das Städtchen Maceira, welches mit seiner Steinbrücke und kleinen Wasserfälle wohl zurecht als eines der schönsten Städtchen Spaniens gilt. Am Folgetag wunderte ich mich über die schier endlose Anzahl an Kuhställen, bis ich schließlich recherchierte, dass Galizien wohl eine sehr bedeutende Milch-Region innerhalb Europas ist. Am dritten Tag auf dem Camino erblickte ich schließlich den lang gebogenen Sandstrand vor dem „Ende der (europäischen) Welt“. Mit einem zugleich wohligen und jubelnden Gefühl im Bauch zog ich meine Wanderschuhe aus und wanderte barfuß direkt in der Brandung auf Finisterre zu. An diesem Strand findet man übrigens echte Jakobsmuscheln in allen Farbschattierungen und Größen. Pilger scheinen diese Muscheln schon seit geraumer Zeit von ihren Wanderungen mit nach Hause zu bringen, weshalb dies als eine mögliche Erklärung für die Wahl der Muschel als Wegemarkierung gilt. Der Pilger-Tradition folgend wanderte auch ich schließlich kurz vor Beginn der Dämmerung zum Leuchtturm an der Landzunge von Finisterre. Hier – und komischerweise nicht in Santiago de Compostela – steht der 0,000 Kilometerstein auf der luftigen Anhöhe neben dem Leuchtturm. Immer mehr Pilger, aber auch Touristen, versammelten sich auf den Felsen der Landzunge und schauten zusammen der untergehenden Sonne in der Ferne zu. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, warum einst Menschen glaubten, hier befände sich das Ende der Welt.

Da ich noch Zeit hatte, setzte ich meinen Weg am kommenden Morgen in Richtung Muxia fort. Ich traf auf wunderschöne einsame Strände und Wälder, die mir nochmals Raum gaben über das Erlebte nachzudenken. Mit einem lachenden Herzen und wohligen Bauchgefühl erreichte ich schließlich den Küstenort Muxia, welcher durch die direkt am Meer gelegene Kirche A Virxe da Barca bekannt ist. Hinter der Kirche steht ein kleiner weißer Leuchtturm. Als ich auf ihn zuwanderte, auf den letzten Metern meines eigenen Jakobsweges, vermischten sich die spanischen Sonnenstrahlen mit einem kleinen Regenschauer zu einem doppelten krönenden Regenbogen direkt über dem Leuchtturm. Mein Weg fand hier ersichtlich sein Ende. Diesen wunderschönen Anblick werde ich niemals vergessen.

Wann wanderst du los?

Muxia am Ende meines Jakobsweges

Meine Erkenntnisse

Jeder sollte in seinem Leben einmal einen Jakobsweg wandern.

Egal aus welchem Grund du los wanderst, es tut der Seele gut. Die Wanderung auf dem Jakobsweg ermöglicht dir, ein Kapitel zu schließen und ein neues zu öffnen. Es ist ein Übergang. Du wanderst durch wunderschöne Natur. Manchmal allein. Manchmal gemeinsam mit interessanten Leuten. Du erlebst Dinge, die man vielleicht nur auf solch einem Weg erleben kann.

Der Weg ist das Ziel.

Natürlich wollen wir alle irgendwann an einem Ziel ankommen. Aber was passiert danach? Ist es nicht am besten, immer in Bewegung zu sein und auf etwas zuzulaufen? Die Erlebnisse entlang des Weges sind das Schönste an der Wanderung. Die Ankunft ist nur ein weiteres Erlebnis auf diesem Weg.

Jede*r kann diesen Weg gehen.

Herkunft, Alter, Geschlecht, Familienstand, Konfession, Gesundheitszustand etc. werden unwichtig. Sie definieren einen nicht auf dem Weg. Wichtig ist nur, dass man seinen Weg geht. Der Jakobsweg ist daher sehr inklusiv. Und ja, man kann den Weg definitiv als allein reisende Frau gehen.

Es läuft sich leicht am leichtesten.

Man braucht unterwegs nicht viel. Je leichter man packt, desto leichter setzt man einen Fuß vor den anderen. Die meisten Unterkünfte bieten Waschmöglichkeiten. Das wichtigste und bequemste trägt man sowieso jeden Tag an sich.

Deine Wahl bestimmt die Erlebnisse entlang des Weges.

Deine Wahl der Unterkunft (von öffentlicher Pilgerherberge bis elegantes Hotelzimmer), der Verpflegung (von Kochen in der Herberge bis Ausgehen in Restaurants), der Ausrüstung (von Gepäckservice bis Tragen des eigenen Rucksackes inklusive Zelt), der Begleitung (von allein wandern über wandern in der Gruppe bis hin zu einer Wanderung mit einem Esel) bestimmen die Erlebnisse auf deinem Jakobsweg. Alles ist möglich. Es kommt immer nur darauf an, worauf du dich einlassen magst.

Bom Caminho!

3 Kommentare

  1. Die Lektüre hilft, die Sehnsucht für den nächsten Camino zu pflegen. So kann das Feuer weiter brennen und die Vorausplanung für 2022, den Camino Portugues zu gehen, verstärkt. Ein kurzweilig zu lesender Reise-/Pilgerbericht.

  2. Sehr schön!
    Da kommen Erinnerungen rauf, möchte gerade wieder loslaufen 😉

  3. Sehr schön zu lesen – und, ja: dein Bericht motiviert, es dir gleichzutun. Danke, liebe Claudi 🙏

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