Mit dem Fahrrad durch Kroatien und Slowenien: Als die Bora uns fast vom Sattel pustete

Kroatien und Slowenien – eine Mischung aus Meer, Wäldern und Bergen im Osten Europas. Warm und sonnig auch noch im Oktober. Diese Gedanken kreisten uns im Kopf herum, als wir im herbstlich grauen Hamburg mit unseren beiden Fahrrädern in den Zug Richtung Zagreb stiegen. Wir hatten definitiv nicht damit gerechnet, an der östlichen Adriaküste auf ein spektakuläres und durchaus ein wenig Angst einflößendes windiges Wetterphänomen zu treffen.

Zagreb und Umgebung

Von Zagreb hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel gehört. Wie sich herausstellte völlig zu Unrecht, denn die kroatische Hauptstadt (~800.000 Einwohner) hat ihren Besuchern so einiges zu bieten. An unserem ersten Abend in Zagreb waren wir erstaunt, wie lebendig und jung die Stadt auf uns wirkte. Überall saßen Nachtschwärmer auf den Terrassen der Bars und Restaurants. Eine Band spielte vor einem Irish Pub Folk Songs und insgesamt war die Stimmung sehr gelöst. Die bedrückende Atmosphäre der Pandemie schien weit weg zu sein. Am kommenden Tag streiften wir mit unseren Fahrrädern weiter durch die wunderschöne Altstadt. Der Einfluss der österreichisch-ungarischen Architektur war hier an vielen Ecken zu spüren. Insbesondere das berühmte bunte Ziegeldach der St. Markuskirche zog viele Blicke auf sich. Von Zagreb würde man in der Zukunft sicherlich noch mehr hören.

Am kommenden Tag radelten wir entlang des Flusses Save in das westlich von Zagreb gelegene Žumberak Gebirge (dts. Sichelgebirge), welches ein kleines Outdoor Mekka für lokale Rad- und Wander-Fans zu sein schien.

Die Plitvicer Seen

Auch wenn die Plitvicer Seen nicht direkt mit dem Fahrrad zugänglich sind, lohnt sich ein Abstecher zu dieser schönen Seenlandschaft definitiv. Der bereits 1949 gegründete Nationalpark besteht aus insgesamt 16 Seen, welche in unterschiedlichen Blau- und Türkistönen aus dem dichten kroatischen Wald hervorschauen. Die Seen sind dabei auf unterschiedlichen Höhen angesiedelt. Wie eine Murmel in einer Murmelbahn windet sich das klare Wasser gurgelnd und zischend von den „Oberen Seen“ zu den „Unteren Seen“. Auf leicht abfallenden Holzstegen und Treppen folgten wir dem Lauf des Wassers ebenfalls von oben nach unten.

Das klare Wasser zog einen sofort in seinen Bann und ließ die Gedanken frei schweifen. Die Wanderung bekam dadurch fast einen meditativen Charakter. Um uns herum entfalteten die Bäume langsam ihre volle Farbenpracht des Herbstes. Da die robusten Holzstege recht schmal und naturbelassen waren, sollte man nicht vergessen auch ab und zu den Blick vom umliegenden Panorama auf die eigenen Füße zu werfen. Da wir an einem Montag im Oktober im Nationalpark unterwegs waren, hielten sich die Besucherzahlen in Grenzen und wir konnten den circa 20 Kilometer langen Rundweg richtig genießen.

Durch „Winnetou-Land“ in die Küstenstadt Zadar

Während immer zahlreichere graue Wolken über den einst strahlend blauen kroatischen Himmel zogen, fuhren wir von den Plitvicer Seen in Richtung Adriaküste. Dichter Nebel setzte sich langsam in den Wäldern fest und erschwerte uns die Sicht. Kurz vor der Kleinstadt Gračac holte uns dann schließlich der Regen ein und wir strampelten durchnässt den letzten Gebirgszug vor der Küste hoch. Oben angekommen packten wir uns gemäß des „Zwiebel-Prinzips“ warm in unsere Kleidungsschichten ein (inklusive Handschuhe – im kroatischen Oktober!) und sausten schließlich entlang des Velebit Gebirgszuges in Richtung Meer hinunter. Die beeindruckende schroffe Bergkulisse ist aus den Winnetou-Filmen bestimmt dem einen oder anderen bekannt. Auch mein stählerner Drahtessel passte meiner Meinung nach vorzüglich in diese Landschaft.

Nach einer Übernachtung in Maslenica fiel die kommende Etappe in die Küstenstadt Zadar aufgrund des starken Regens leider nur kurz aus. Bereits zu Beginn dieser Etappe spürten wir, wie der Wind immer wieder in seitlichen Böen auf uns und unsere Fahrräder traf. Zudem fragten wir uns, warum sich so viel Verkehr auf den kleinen Landstraßen entlang schlängelte, während auf der Autobahn – die wir kreuzten – kein einziges Fahrzeug zu sehen war. Dass es zwischen dem Wind und der Verkehrslage einen Zusammenhang gab, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht…

In strömendem Regen kamen wir schließlich in Zadar an der dalmatinischen Küste an. In einer abgepassten Regenlücken kletterten wir auf einen Kirchturm mit grandioser Aussicht auf das wolkenverhangene Velebit Gebirge hinter uns und die vorgelagerten kroatischen Inseln vor uns. Außerdem bestaunten wir die sogenannte Meeresorgel. Hierbei handelt es sich um eine Art „Instrument“, welches mit Hilfe der Wellenbewegung mystische Klänge unter Steinplatten erzeugt. Wenn man die Augen schloss und lauschte, so fand man sich auf einem schwankenden knarzenden Segelschiff mitten im größten Sturm wieder. Wie passend zur aktuellen Wetterlage um uns herum!

Unter folgendem Link ist eine kleine Kostprobe der Meeresorgel zu hören.

https://zadar.travel/de/sehenswurdigkeiten/sehenswurdigkeiten/sea-organ

Die windgepeitschte karge Insel Pag

Am darauffolgenden Tag fuhren wir in Richtung der ersten Insel auf unserer Reise – die zugleich auch die letzte Insel der Reise sein würde. Das wussten wir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen. Allerdings hing immer noch eine dicke dunkle Wolkenschicht bedrohlich über dem Velebit Gebirge östlich von uns. Auf dem Weg zur Insel kamen wir an dem Ort Nin vorbei, in dessen Bucht sich bereits mehrere Kite-Surfer tummelten. Bei dem frischen Wind war dies auch nicht weiter sonderbar und wir bewunderten ihre hohen Sprünge für einige Minuten.

Bereits beim ersten Blick auf Google Maps wird schnell ersichtlich, dass die Insel Pag sehr karg sein müsste. War sie doch gelblich braun markiert im Vergleich zu den anderen kroatischen Inseln. Schnell sollte uns klar werden, woher diese Kargheit rührte. Der Seitenwind aus dem Gebirge frischte weiter auf als wir uns der Brücke (Paski Most) näherten, die Pag mit dem kroatischen Festland verband. Da wir als Hamburger an Wind gewöhnt sind, machten wir uns zu diesem Zeitpunkt noch keine Gedanken darüber.

Als wir schließlich an der Brücke ankamen, war allerdings an eine Überquerung auf dem Fahrrad nicht mehr zu denken. Die Windböen waren inzwischen viel zu stark. Daher schoben wir langsam unsere Fahrräder entlang des Fußweges über die Brücke. Der Wind prallte beschleunigt durch den Sog zwischen Insel und Festland heftig auf die Brücke auf. Wir wurden unter dem Gewicht der eigenen Fahrräder an die Leitplanke gedrückt. Schritt für Schritt wurde es schwieriger sich auf den Beinen zu halten. Beeindruckt und verängstigt zugleich schafften wir es nach mehreren Minuten über die „Brücke des Schreckens“ hinüber. Zitternd schaute ich am anderen Ende aus dem Schutz eines kleinen Häuschens zurück. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie eine Naturgewalt so unmittelbar am eigenen Leib gespürt…

Das wolkenverhangene Velebit Gebirge – „Geburtsort“ des starken Bora Fallwindes

Der Wind, gegen den wir auf der Brücke – und in den kommenden Tagen – ankämpften, nennt sich Bora. Es handelt sich hierbei um einen kalten und überaus starken Fallwind, der aus dem Gebirge weht und im Winter Böen von bis zu 250 km/h erreicht. Während die Bora im Sommer eher kurzweilig und erfrischend ist, kann sie in der kalten Jahreszeit mehrere Tage unerbittlich wehen. Unser Herbsturlaub fiel wohl genau in einen starken Bora Saisonstart.

Schnell war uns klar, warum Pag so karg ist (selbst Bäume knicken unter der Bora ein!) und warum die Straßen der Insel auf der dem Meer zu gewandten Seite verlaufen (weniger Wind!). Die karge Landschaft, die der Wind hinterließ, war jedoch beeindruckend schön und ein wenig mondartig. Wie sich herausstellte, hatte die Bora keinerlei Eile bald zu verschwinden, sodass wir tatsächlich auf einer Insel gestrandet waren. Selbst die kleine Autofähre am nördlichen Ende der Insel setzte ihren Betrieb für mehrere Tage aus. Und auch langsam dämmerte uns, dass die Autobahn so verwaist wirkte, da sie bei zu starken Fallwinden einfach gesperrt wird. Unser Plan des fröhlichen kroatischen „Insel Hoppings“ inklusive Strandurlaub musste also über Bord geworfen werden.

Nach zwei sehr windigen Tagen auf Pag radelten wir schließlich den Weg zurück, den wir gekommen waren. Und da der Wetterbericht auch für die kommenden Tage eine starke Bora voraussagte, setzen wir uns in Zadar in den Flixbus Richtung Italien / Slowenien. Die Natur ist eben doch stärker als zwei geübte Fahrradfahrer.

Das smaragdgrüne Soča-Tal in Slowenien

Über einige Umwege mit dem Flixbus und zwei weiteren Etappen in Italien kamen wir schließlich in Slowenien an. Bereits bei unserem Roadtrip vor zwei Jahren hatte mich dieses Land sehr begeistert. Im Vergleich zu den deutschen Alpen wirken die Julischen Alpen des Triglav Nationalparks noch relativ unberührt. Im Zentrum dieses einzigen slowenischen Nationalparks liegt der 2.846m hohe Berg Triglav – der Namensgeber. Der smaragdgrüne Fluss Soča fließt in vielen naturbelassenen Bögen durch diese wunderschöne Bergkulisse hindurch. Man trifft nur auf vereinzelte kleine Dörfer, aber dafür auf umso mehr unversehrte Natur. In dieser wunderschönen Landschaft stimmen selbst die Farben des Flusses und der Brückengeländer überein.

So strampelten wir bei – zum Glück – sehr wenig Wind und einem blauen Himmel das Soča-Tal hinauf und dem Outdoor Städtchen Bovec entgegen.

Kehren zählen am Vršič-Pass

Da wir vom österreichischen Villach aus den Zug zurück ins norddeutsche Flachland nehmen würden, hatten wir noch eine weitere Etappe auf dem Fahrrad vor uns. Es sollte die Königsetappe der Tour werden. Aufgrund einer Straßensperrung am Mangart stellte sich bei unserem Aufbruch früh morgens heraus, dass wir über den höchsten asphaltierten Gebirgspass Sloweniens werden ausweichen müssen – den Vršič-Pass (1.611 m). Unaussprechlich slowenisch und ausgesprochen steil wie sich heraus stellte!

Bei kalten Temperaturen radelten wir dick eingepackt weiter in das Soča-Tal hinein. Die Autofahrer grüßten uns grinsend hinter ihren Scheiben. Sie waren bei unserem Anblick wohl recht froh über ihre jeweiligen Sitzheizungen. Hinter dem Örtchen Trenta begann der eigentlich Anstieg zum Pass. Und der hatte es in sich! Insgesamt 50 knackige Kehren führten uns den Vršič-Pass hoch und wieder hinunter. Dabei kommt man den schneebedeckten Gipfeln des Triglav Nationalparks immer näher. Der Indian Summer erstrahlte in seiner vollen Pracht um uns herum. Im Oktober wäre man gerne auf exponierten sonnenbestrahlen Abschnitten im T-Shirt geradelt, während man in den schattigen Kehren dann doch recht froh über die getragene Jacke war.

Oben angekommen am Pass bewunderten wir noch einmal das Panorama des Soča-Tals, welches wir nun hinter uns ließen. Dick eingepackt (Handschuhe!) rollten wir den Pass in Richtung Jezero Jasna hinunter. Immer wieder leicht abgebremst durch die Kehren, welche auf der nördlichen Seite des Passes meist mit Kopfsteinpflaster versehen waren. Die Finger waren kaum noch zu spüren als wir schließlich nach der Abfahrt einen warmen Kaffee in der Hand hielten und noch einmal zurück ins slowenische Gebirge blickten. Eine wunderbare Berglandschaft – egal ob man sie radelnd, wandernd oder kletternd entdeckt!

Nach einem Abstecher über den Wurzenpass (den man am besten NICHT von Norden nach Süden fahren sollte – enorme Steigung!) kamen wir auch schon bald in Villach an – dem Ende unserer windig schönen Fahrradtour!

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